Genauer hingeschaut: wie wurden die Karten erstellt?

Methodik der Niederschlags-Abfluss-Modellierung: Die Sturzflutgefahrenkarten des Landes Rheinland-Pfalz wurden im Modell  ➥Visdom mithilfe zweidimensionaler hydrodynamischer Berechnungen erstellt. Die Abflussbildung wurde dabei nach Horton beschrieben. Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten wurden durch vollständige Lösung der Flachwassergleichungen ermittelt. Die Rauhigkeiten wurden anhand der Landnutzungsinformation aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem ALKIS mit entsprechenden Strickler-Beiwerten modelliert. Die Versickerung wurde auf Basis der gesättigten hydraulischen Leitfähigkeit berücksichtigt. Hierzu wurden die kf-Werte aus der Bodenübersichtskarte 1:50.000 (BÜK50) verwendet, die die Versickerungsfähigkeit der unterschiedlichen Bodenhorizonte beschreiben. Sie wurden gemittelt und aufgrund von Erfahrungswerten um 50% reduziert. Außerdem wurde auch die Interzeption, d.h. der Rückhalt an/auf der Vegetation, berücksichtigt. Nicht in die Berechnung eingeflossen sind das von Dachflächen abfließende Wasser (es fließt in der Regel in die Kanalisation ab und wird so zumindest bei nicht-extremen Ereignissen dem Oberflächenabfluss entzogen) sowie die Kanalisation selbst. Eine Mitbetrachtung der Kanalisationen ist bei einer Simulation im landesweiten Maßstab kaum möglich.

Geländemodell, Gebäude und Behandlung von Durchlässen etc.: Als Basis wurde das digitale Geländemodell des Landes mit einer geometrischen Auflösung von 1x1 m (DGM1) verwendet. Auf der Geländeoberfläche wurden die im Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem ALKIS enthaltenen Gebäude als dreidimensionale Gebäudemodelle platziert. Als abflusswirksame Elemente wurden außerdem die "Bauwerke im Gewässerbereich" und die "Bauwerke im Verkehrsbereich" aus ATKIS eingearbeitet. Hierbei handelt es sich um Brücken, Durchlässe und ähnliche Strukturen. Sie sind in ATKIS weitgehend enthalten, aber nicht immer vollständig erfasst. Zur Verbesserung der Modellergebnisse wurden sie in einem automatisierten Verfahren lagemäßig an das Geländemodell angepasst. Die exakten, realen Abmessungen der Bauwerke konnten dabei allerdings nicht berücksichtigt werden. In der Regel wurde bei Bauwerken im Gewässerbereich die Form des betr. Gerinnes automatisch aus dem Höhenmodell abgeleitet und als Querschnitt verwendet. War dies nicht möglich, wurde ein kastenförmiger Durchlass mit 3x0,5 m angesetzt. Bei Bauwerken im Verkehrsbereich wurden standardmäßig 3x3 m große Durchlässe angenommen. Bei einigen größeren Strukturen (v.a. größeren Brücken im Verkehrsbereich) erfolgte ein „Einschneiden“ bis auf Bodenniveau. Ferner ist bei den meisten großen Brücken und Durchlässen bereits im ursprünglichen Geländemodell das darunter liegende Bodenniveau erfasst und dargestellt worden, sodass hier keine Korrekturen erforderlich waren. Bei der Berechnung des Durchflusses durch Brücken und Durchlässe wurde keine Verklausung berücksichtigt. Der Durchflusswert wurde zur Berücksichtigung strömungsdynamischer Widerstände jeweils pauschal um 25% reduziert.

Simulationsgebiete: Starkregenereignisse zeichnen sich u.a. durch ein örtlich begrenztes Überregnungsgebiet aus. Daher wurde die maximale Größe der Simulationsgebiete auf 20 km2 begrenzt. Auf diese Weise wird eine unrealistisch große Ansammlung von Wasser vermieden. Um dies zu erreichen, wurden einige Fließgewässer als sogenannte Schluckbrunnen modelliert, und zwar ab der Stelle, an der die Einzugsgebietsgröße 20 km2 übersteigt. Das bedeutet, dass das zufließende Wasser hier aus der Modellrechnung entnommen wird, also nicht nach unterstrom weitergeleitet wird und sich weiter ansammelt. Für einige der betroffenen Abschnitte kleinerer und mittlerer Gewässer liegen keine Hochwassergefahrenkarten als alternative Informationsquelle für die Überflutungsgefahr vor – diese werden nur für zuvor identifizierte Risikogebiete erstellt. Dieser Mangel wird zukünftig durch entsprechende Betrachtungen der betroffenen Gewässerabschnitte behoben werden. Die notwendigen Grundlagen hierfür werden im Zuge der Flusshochwassermodellierungen zur Fortschreibung der Hochwassergefahrenkarten erarbeitet.

Niederschlagsszenarien: Zur Simulation der Oberflächenabflüsse wurde das Geländemodell mit Niederschlag in drei verschiedenen Szenarien überregnet. Als Grundlage für die angesetzten Niederschlagsmengen diente der Datensatz KOSTRA-DWD-2020 des Deutschen Wetterdienstes. Der Datensatz weist für ganz Deutschland in 5x5 km großen Rasterzellen die zu erwartenden Niederschlagsmengen für Eintrittswahrscheinlichkeiten von 1-jährlich bis 100-jährlich aus. Diese Niederschlagsmengen sind bei gleicher Eintrittswahrscheinlichkeit regional unterschiedlich. Unter Anwendung des Konzepts des Starkregenindex (SRI, nach Schmitt et al. 2018) wurden die Niederschlagswerte aus Kostra bis in den Bereich extremer Starkregen (SRI 10) extrapoliert, indem die Niederschlagsmengen des SRI 7 (die etwa einer 100jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechen) mit dem Faktor 2 multipliziert wurden. Der zeitliche Verlauf des Niederschlags folgt der sog. Euler-Typ II-Verteilung, d.h. die Niederschlagsintensität steigt rasch an und erreicht nach einem Drittel des Niederschlagszeitraums ihr Maximum, um dann stark abzufallen und zum Ende hin auszulaufen.

Darstellung: Die Darstellung der Wassertiefen beginnt bei 5 cm, kleinere Wassertiefen sind nicht dargestellt. Fließgeschwindigkeiten sind unabhängig vom Wert überall dort dargestellt, wo auch eine Wassertiefe dargestellt wurde. Bei der Klassifikation von Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten wurden die Klassengrenzen und Farben u.a. so gewählt, dass die Klassen der Wassertiefen zwischen 30 cm und 1 m und die Klassen der Fließgeschwindigkeiten zwischen 0,2 und 1 m/s durch kräftigere Farben (blau/violett bzw. gelb/rot) besonders hervorgehoben sind. Diese Werte markieren die Grenzbereiche, ab denen sich im Wasser stehende oder gehende Personen nicht mehr auf den Beinen halten können. Zwar ist zu beachten, dass die dargestellten maximalen Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten an einem Ort nicht notwendigerweise zum selben Zeitpunkt im Verlauf des Hochwasserereignisses auftreten, dennoch gibt diese Darstellungsweise Hinweise auf besondere Gefahrenbereiche bezüglich dieses Aspekts. Für die Darstellung der Fließrichtungspfeile wurden jeweils 10x10 Zellen aggregiert. Daher sind in Bereichen, in denen nur wenige Zellen mit über 5 cm Wassertiefe liegen, keine Fließrichtungspfeile zu finden.