Geschichtliche Entwicklung des Wasserrechts

(Autorin: RD'in Ute Juchem, Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Koblenz)

Ausgangspunkt unserer heutigen wasserrechtlichen Ordnung ist das Mittelalter. Ein Regelungsbedürfnis entstand erstmals mit der Möglichkeit, die Wasserkraft für Mühlen, Hammer- und Sägewerke nutzen zu können.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es jedoch kaum geschriebenes Wasserrecht, vielmehr entstanden Regelungen in langjähriger Übung als Gewohnheitsrecht. Schwerpunkt war die Benutzung der Gewässer durch die Anlieger. Für die wichtigste Gewässerbenutzung durch Mühlenbetriebe entstand in manchen Gebieten ein sogenanntes "Mühlenregal", d.h. es bestand ein ausschließliches Recht des jeweiligen Landesherren zur Errichtung von Mühlen und zur Verleihung von "Mühlengerechtigkeiten". Staurechte konnten nur durch ihn vergeben werden. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ergingen dann in einigen Ländern die ersten Gesetze, die einzelne wasserrechtliche Tatbestände regelten, so etwa 1852 in Bayern und 1887 im Großherzogtum Hessen (Bachgesetz und Dammbaugesetz).

Nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 stellte sich auf vielen Rechtsgebieten die Frage nach einheitlichen Regelungen. So trat 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft. Art. 65 des Einführungsgesetzes zum BGB regelte jedoch ausdrücklich:

"Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Wasserrecht angehören, mit Einschluß des Mühlenrechts und des Flötzrechts sowie der Vorschriften zur Beförderung der Bewässerung und Entwässerung der Grundstücke und der Vorschriften über Anlandungen, entstehende Inseln und verlassene Flussbetten."

Das Wasserrecht blieb somit in vollem Umfang der Landesgesetzgebung vorbehalten. In der Folgezeit entstanden dann auch die ersten umfassenden Wassergesetze: in Württemberg 1900, in Bayern 1907, in Sachsen 1909 und in Preußen 1913.

Diese behielten ihre Geltung in der Weimarer Republik . Die Weimarer Verfassung überführte zwar die dem allgemeinen Schiffsverkehr dienenden Binnenwasserstraßen in das Eigentum und die Verwaltung des Staates; eine weitere Vereinheitlichung des Wasserrechts fand jedoch nicht statt.

Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bestehenden Wasserrechts finden sich im Nationalsozialismus. 1937 erfolgte eine Neuordnung des Wasserverbandsrechts für das ganze Reichsgebiet. 1941 wurde das Amt des Generalinspekteurs für Wasser und Energie gebildet, das mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet war.

Nach 1945 und der Gründung der Bundesrepublik führte die Neugliederung der einzelnen Bundesländer zu einer noch größeren Uneinheitlichkeit im Wasserrecht, da in manchen Ländern mehrere der bis dahin erlassenen Wassergesetze galten.

In Rheinland- Pfalz war - je nach Region - das Preußische Wassergesetz, das Bayerische Wassergesetz oder das Hessische Bachgesetz zu beachten.

Diese Zersplitterung - und eine Vielzahl anderer Gründe - führten dazu, im Grundgesetz von 1949 ein in der Verfassungsgeschichte bisher unbekanntes Sachgebiet "Wasserhaushalt" aufzunehmen und dem Bund in Artikel 75 Abs. 1 Ziff. 4 die Kompetenz für die Rahmengesetzgebung zuzuweisen.

In Wahrnehmung der Rahmenkompetenz trat das Wasserhaushaltsgesetz am 1.8.1960 in Kraft, das noch der Ausfüllung durch Landeswassergesetze bedurfte. Entsprechende Regelungen wurden in allen Bundesländern - im wesentlichen auf der Grundlage eines Mustergesetzentwurfes der Wasserrechtlichen Arbeitsgemeinschaft der Länder - erlassen. Die bis zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Wassergesetze wurden aufgehoben. In Rheinland-Pfalz trat das Landeswassergesetz ebenfalls zum 1.8.1960 in Kraft.

Kern der Wassergesetze war und ist die Bewirtschaftung der Wasservorkommen durch die Wasserbehörden, orientiert am Wohl der Allgemeinheit.

Die ersten Jahrzehnte nach Inkrafttreten der Wassergesetze waren von den zentralen Aufgaben der Sicherstellung der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung geprägt. Insbesondere in den letzten Jahren rückte neben der Sicherung von Überschwemmungsgebieten jedoch auch die naturnahe Gewässerentwicklung in den Vordergrund.

Entwicklungen im Wasserrecht fanden auch auf Europäischer Ebene statt. Eine Fülle von Einzelrichtlinien zu bestimmten Fragestellungen, die jeweils in nationales Recht umgesetzt wurden, bestimmte zunächst das Europäische Wasserrecht.

Mit der Wasserrahmenrichtlinie vom 23.10.2000 liegt nun jedoch erstmals ein Gesamtkonzept für einen Ordnungsrahmen vor, der alle Gewässer einschließlich des Grundwassers erfasst.

Ziel der Richtlinie ist das Erreichen des guten Zustandes aller Oberflächengewässer und des Grundwassers innerhalb von 15 Jahren in allen Mitgliedstaaten.

Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie eine Bewirtschaftung der Gewässer nach Flussgebietseinheiten unabhängig von bestehenden Ländergrenzen vor.

Die Richtlinie wurde mittlerweile durch das Wasserhaushaltsgesetz in der Fassung vom 19.8.2002 und für Rheinland-Pfalz durch das Landeswassergesetz in der Fassung vom 22.1.2004 in nationales Recht umgesetzt.

Hiermit hat eine Entwicklung, die am 1.8.1960 mit dem Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes ihren Anfang nahm, einen Höhepunkt und (vorläufigen) Abschluss gefunden.